Berufsstolz DREI WEGE INS HANDWERK JUNGE NACHWUCHSHANDWERKER*INNEN BERICHTEN VON IHREN ERFAHRUNGEN 1 LUKAS BAUER, 25 INSTALLATEUR UND HEIZUNGSBAUER MEISTER 2 SELINA KUHRKE, 16 AUSZUBILDENDE FAHRZEUG LACKIERERIN 3 TIMMERLIN SCHWARZ, 24 DACHDECKER GESELLE Dachdeckerei Florian Mose, Olaf May GmbH, Northeim H. Hartmann GmbH Autolackierung, Holzminden Bad Grund (Osterode) Ein Mehrfamilienhaus am Rande von Göttingen. Einer der vielen Einsatzorte des frisch gebackenen Installateur- und Heizungsbauermeisters Lukas Bauer. Nach dem Meister werde er nun erst einmal ein paar Jahre Berufserfahrung sammeln. Dies sei wichtig, um handwerklich in möglichst vielen Bereichen seines Gewerks fit zu sein. Erst danach wolle er sich zusätzlich den administrativen Aufgaben eines Handwerksmeisters widmen. Langfristig wolle er sich mit einem eigenen Betrieb selbstständig machen. Auch einen bereits bestehenden Betrieb zu übernehmen, sei eine denkbare Option, so Bauer. „Die Anlagentechnik hat sich in den vergangenen Jahren enorm entwickelt. und Die Kunden sind heute sehr anspruchs- nicht zuletzt die Digitalisierung und die gestiegenen Anforderungen des Bauwesens machen das Gewerk anspruchsvoll und vielseitig.“ voll so im ersten jemand würde Von Northeim in die ganze Welt M o m e n t Kaum vermuten, dass der bodenständige 25-Jährige in sei- ner Freizeit auf internationalem Parkett für sein Gewerk kämpft. Bei der niedersächsischen Landessiegerehrung des Gesellenwettbewerbs des Handwerks „Profis leisten was“ (kurz PLW) wurde er auf die nationalen und inter- nationalen Berufswettbewerbe aufmerksam und fand sich schon bald darauf in der deutschen Nationalmannschaft für das Sanitär-Heizung-Klimahandwerk wieder. Bei den Euroskills, der Europameisterschaft der Berufe 2016 in Göteborg schaffte er es auf den fünften Platz und wurde mit der Medal of Excellence für außerordentliche Leis- tungen ausgezeichnet. „Damals ging alles wahnsinnig schnell. Unter Zeitdruck kreative Formen zu erschaffen und gleichzeitig höchste Präzision an den Tag zu legen, verlangt einem jungen Menschen einiges ab. Natürlich haben wir im Vorfeld mit dem Nationalteam trainiert, aber von jemandem betreut zu werden, der das Ganze schon einmal erlebt hat, hätte mir sehr geholfen. Das will ich künftigen Teilnehmer*innen ermöglichen. Deshalb enga- giere ich mich auch weiterhin in diesem Bereich als Trai- ner“ Bei der Deutschen Meisterschaft Ende November in Hamburg sitzt Bauer in der Jury und kürt mit seinen Messergebnissen die künftigen Nachwuchstalente. Denn darum gehe es bei den Wettbewerben: Junge, ehrgeizige Handwerker auszuzeichnen und damit die Attraktivität der Handwerksberufe um eine Facette zu erweitern. Das sorgt für Aufmerksamkeit und zeigt immer wieder, dass das deutsche Handwerk mit seiner dualen Ausbildung hervorragend ausgebildete Fachkräfte hervorbringt, die im internationalen Vergleich ebenso außergewöhnlich gut abschneiden. „Es gibt nichts Besseres als inmitten dieser vielen Tausend Menschen unterschiedlichster Nationen alles zu geben. Irgendwann blendet man die Menschen- mengen einfach aus und ist nur noch bei sich und dem eigenen Handwerk. Ein irres Gefühl ist das. Aber auch der Austausch mit anderen Nationen gibt wertvolle Impulse für die eigene Arbeit. “ Im idyllischen Bad Grund, versteckt in einem Labyrinth aus Werkstätten und Lagerhallen liegt die Werkstatt von Dachdeckermeister Florian Mose. Sein Geselle Tim-Mer- lin Schwarz war nicht nur sein Auszubildender, sondern ist auch sein Bruder. Zu verstecken hat die vor vier Jah- ren gegründete und mittlerweile zum Drei-Mann-Betrieb angewachsene Dachdeckerei allerdings ganz und gar nichts. Im Ort kennt die sympathischen Dachdeckerbrüder ohnehin jeder. „Das ist das Schöne am ländlichen Leben. Man kennt und schätzt einander und man hat jede Menge Raum, sich auszuleben. Darum bin ich meiner Heimat bis heute treu geblieben“, sagt Tim. Als Selina Kuhrke in der neunten Klasse ein Praktikum in einer Kfz-Werkstatt absolvierte, war ihre Mutter zunächst überrascht von der Entscheidung ihrer Tochter sich in Rich- tung Handwerk zu orientieren. Schnell stellte sich heraus, dass Selina Spaß am Anpacken fand. In der Kfz-Werkstatt ging es ihr dann doch zu technisch zu. In der Werkstatt aber wollte sie bleiben, den ganzen Tag draußen zu arbei- ten konnte sie sich nicht vorstellen. Ihr Interesse an der Psychologie der Farben und die Berufsorientierung an der Schule brachten sie dann auf den Beruf der Fahrzeugla- ckiererin. Sie kontaktierte mehrere Betriebe in ihrer Umge- bung. Nach einem weiteren Praktikum bei der H. Hart- mann Autolackierung in Holzminden war sie sich sicher: Hier stimmt die Chemie zwischen Ausbildungsbetrieb und der Nachwuchshandwerkerin. Seit August 2018 macht sie dort die dreijährige Ausbildung. Daran acht Stunden auf den Beinen zu stehen und ständig in Bewegung zu sein, hat sie sich mittlerweile gewöhnt und ist mit Eifer dabei. Das Beste sei es, Tätig- keiten, bei denen man am Anfang nur zugu- cken durfte, zum ersten Mal zu machen. „Das ist spannend und auch wenn man sich mal ärgert, wenn man es nicht gleich so gut hinbekommt, ist es ein tolles Gefühl, wenn es dann beim nächsten Mal schon besser klappt.“ Sie will vieles Lernen. noch Oben angekommen Dass es ins Handwerk gehen sollte, wusste der Sohn eines Zimmermanns schon früh. „So lange ich den- ken kann, war ich immer gern im Freien. Mein größtes Hobby ist der BMX-Sport. Ich wollte unbedingt auch draußen arbeiten.“ Dabei hat er zunächst über Praktika als Tischler, Maurer oder Zimmerer einiges ausprobiert, bis er sich letztlich für das Dachdeckerhandwerk ent- schieden hat. „Ich wollte etwas lernen, was nur wenige Menschen beherrschen und an Orte, an denen sich nur wenige aufhalten dürfen. Ich genieße es, auch mal einen Moment innezuhalten und von ganz oben die Umgebung zu überblicken. Zudem ist es die Mischung aus körperli- cher Fitness, Teamwork und Köpfchen, die als Dachde- cker besonders wichtig ist. Das macht mich glücklich und ist mir mehr wert als alles andere.“ Wenn er sein heutiges Leben mit der Zeit vor der Ausbildung vergleicht, dann fällt ihm auf, dass sich alles verändert hat. „Die Schule hat mich nie wirklich motiviert. Ich habe von einem Tag in den nächsten gelebt. Nun habe ich etwas gefunden, das mir wirklich liegt. Ich stehe morgens auf und freue mich auf den Tag.“ Im kommenden Jahr plant er, den Meister draufzusetzten, denn auch Nachwuchsförderung sei ihm wichtig, weil er aus eigener Erfahrung wisse, wie sehr einen jungen Menschen eine respektvoll gestaltete Ausbildung zum Positiven formen könne. Anfangs sei er selbst skeptisch gewesen, ob es so gut sei, ausgerechnet bei seinem Bruder in die Lehre zu gehen. Probleme habe es damit letztlich keine gegeben. Sein älterer Bruder sei genau wie sein Vater ohnehin schon immer ein wichti- ges Vorbild für ihn gewesen. „Ich bin stolz darauf diesen Weg gegangen zu sein und kann nur jedem empfehlen, sich auszuprobieren. Nirgendwo ist das so leicht wie im Handwerk.“ beeindruckt Die feinen Unterschiede Besonders ist sie davon, welche feinen Unterschiede in den Farbnuancen ihr Meis- ter Heinz-Jürgen Schulte erkennen kann, wo andere nur eine einzige Farbe sehen. Die Mischung aus Kreativität, Genauigkeit und Ästhetik hat es ihr angetan. Ehrfürchtig sieht sie dem Gesellen dabei zu, wie er routiniert in schnel- len und doch gleichmäßigen Zügen eine Autotür mit der Lackierpistole bearbeitet. „Es ist toll, etwas, das gerade noch kaputt war, mit der eigenen Arbeit wie neu ausse- hen zu lassen.“ Wer ein Handwerk erlernt, der lernt etwas fürs Leben. Man lernt handwerklich zu arbeiten, zu denken und Probleme zu lösen. Als Frau in einer Männerdomäne fühle sie sich sehr wohl. Das sei doch heute ganz normal, findet Selina und sie ist auch nicht die erste weibliche Aus- zubildende bei H. Hartmann. „Natürlich gibt es auch mal körperlich schwere Arbeiten, aber inzwischen habe ich die nötige Kraft dafür entwickelt und wenn es doch einmal zu schwer ist, dann helfen die Kollegen immer gern.“