VORWORT LIEBE LESERINNEN UND LESER, SEHR GEEHRTE KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN IM HANDWERK, LIEBE JUNGE NACHWUCHSHANDWERKER, wir freuen uns, dass Sie einen Blick in die inzwischen vierte Handwerkszeitung werfen, die am Tag der großen Meister- feier der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersach- sen in den Lokalzeitungen im Kammerbezirk erscheint. Die Meisterfeier im Kammerbezirk Hildesheim-Südnieder- sachsen gehört zu den größten Norddeutschlands. Sie ist für uns zum fünften Mal infolge das Event des Jahres, um dieser wichtigen Gruppe im Handwerk Respekt und Aner- kennung zu zollen. Im Jahrgang 2016 / 2017 legten 350 Meister ihre Prüfung vor dem Prüfungsausschuss der Handwerkskammer ab. Viele von ihnen werden heute ihren Meisterbrief auf der Bühne erhalten und gemeinsam mit ihren Angehörigen und Freunden einen unvergesslichen Abend erleben. Die Jungmeisterinnen und Jungmeister sind die Zukunft unse- res Wirtschaftszweigs in den Regionen Göttingen, Hildes- heim, Holzminden, Northeim und Osterode! Als redaktionellen Faden für die Zeitung, die Sie gerade in Ihren Händen halten, haben wir in diesem Jahr den Slogan der bundesweiten Imagekampagne des Hand- werks „#EINFACHMACHEN“ gewählt. Der Hashtag, der vor allem Jugendliche in den sozialen Netzwerken anspre- chen soll und dort auch bemerkenswert gut ankommt, hat folgende Botschaft: probiere dich beruflich aus, habe keine Angst vorm Scheitern, sei neugierig, sei mutig. Wir haben für die Veröffentlichung, inspiriert von dieser MUTTER UND MEISTERIN Therese Wehage (26) ist unser Covermodel für die Handwerkszeitung 2017 (das erste, das wir selbst geshootet haben). Sie hat im vergangenen Jahr ihren Friseur meister im BBZ erworben und hält in diesem Jahr, stellvertretend für ihren Jahrgang 2016 / 2017, die Rede auf der Meisterfeier der Handwerks- kammer Hildesheim-Südniedersachsen. Die gebürtige Salzhemmendorferin (Landkreis Hameln) ist eine treue Seele. Bereits in der neunten Klasse hat sie in ihrem Ausbildungsbetrieb, dem Friseurhaus Simone Schimkus in Salzhemmendorf, ein Praktikum gemacht. Ihr hat es gut gefallen, so dass ab 2007 die dreijährige Aus- bildung zur Friseurin folgte. Ganze sechs weitere Jahre hat sie dort als Gesellin gearbeitet und letztendlich fast ein Jahr als frischgebackene Friseurmeisterin. Ein Stück Stabilität, möchte man sagen. Denn in ihrem Leben verlief einiges nicht so, wie sie sich das als Jugendliche ausge- malt hatte. HARSUMER WILL WELTMEISTER WERDEN! Der 21-jährige Maurermeister Jannes Wulfes aus Harsum vertritt das deutsche Maurerhandwerk bei der WorldSkills 2017, der Weltmeisterschaft der Berufe, die vom 14. bis 19.9.2017 in Abu Dhabi stattfand. Herr Wulfes, Sie sind für die Weltmeisterschaft der Maurer in Abu Dhabi qualifiziert. Im ver- gangenen Jahr wussten Sie noch nicht, ob Sie hinfahren. Jetzt haben Sie es fest vor. Sind Sie aufgeregt? JANNES Nach dem 6. Platz bei der Europameisterschaft der Berufe (Euroskills) in Göteborg wurde schon ein wenig mein Kampfgeist geweckt. Jetzt möchte ich mich auch mit der Weltspitze messen. Angst habe ich nicht, aber den nöti- gen Respekt. Bereits auf europäischer Ebene war die Kon- kurrenz stark. Nun kommen neben den Spitzenteams aus Großbritannien, Dänemark und der Schweiz auch China und Südkorea hinzu. Die sind in Topform und erhalten intensive Trainingseinheiten. Wie muss man mauern können, um bei einer Weltmeisterschaft bestehen zu können? Welche Talente sind da gefragt? Es geht um Schnelligkeit und Genauigkeit. Die Zeichnun- gen müssen auf den Millimeter genau angefertigt werden und genau so müssen die Steine dann auch verbaut wer- den. Man muss gut unter Zeitdruck arbeiten können. Aller- dings erhöht sich so auch die Fehlerquote. #MEISTERMACHEN #MEISTERMACHEN Haltung, nach jungen Menschen Ausschau gehalten, die genau das tun. Menschen, die ohne Furcht zupacken, Vor- bilder sind und es eben einfach machen. Was für den Studienaussteiger in handwerklicher Aus- bildung oder für den Auszubildenden in einem seltenen Handwerk gilt, kann für die Akteure im Handwerk nicht verkehrt sein. Unter dem Motto #EINFACHMACHEN wollen wir Ihnen die niedersächsische Handwerksor- ganisation vorstellen. Das sind Gremien, Verbände und Kammern von Handwerkern für Handwerker. Die hand- werkspolitische Interessenvertretung, die von Arbeitge- bern und Arbeitnehmern aus vielen Handwerksbetrieben initiiert wird, kommt am Ende dem Verbraucher und der heimischen Wirtschaft zu Gute. Über den neuesten Erfolg, den Kammern und Fachverbände mit ihrer handwerks- politischen Interessenvertretung gegenüber dem Nieder- sächsischen Wirtschaftsministerium erzielen konnten, freuen wir uns besonders: Alle Handwerksmeister mit Hauptwohnsitz oder Arbeitsplatz in Niedersachsen, die ab dem 1. September 2017 ihre Prüfung erfolgreich abgelegt haben, erhalten eine Prämie in Höhe von 4.000 Euro. Wir sind damit auf einem guten Weg der Gleichstellung von akademischer Bildung und der Karriere im Handwerk. Natürlich haben wir auch in dieser Ausgabe der Hand- werkszeitung Betriebsinhaber porträtiert, die die Idee #EINFACHMACHEN leben. Sie zeigen eindrucksvoll und mutig, dass sie sich vor den Herausforderungen der Zukunft nicht fürchten und nach Lösungen für den Fach- kräftemangel oder die Digitalisierung suchen. Ihre Bot- schaft ist glasklar: Das Handwerk hat sich in Anbetracht von Innovationen und technologischen Revolutionen nie- mals in die Opferrolle begeben. Das Handwerk hat gesell- schaftliche Umbrüche selbst ausgelöst oder aktiv mitge- staltet. Unsere Vorfahren wurden nicht vom Buchdruck überrollt, Johannes Gutenberg hat ihn als erster Vertreter des Druckerhandwerks selbst erfunden. Genauso wenig fürchteten sie sich vor der Erfindung des Benzinmo- tors – denn Gottlieb Daimler war als Büchsenmacher ein waschechter Handwerker! UND AUCH HEUTE ZEIGEN WIR IHNEN AUF DEN FOLGESEITEN INNOVATOREN IM HANDWERK, DIE VOR GROSSEN HERAUSFORDERUNGEN NICHT ZURÜCKSCHRECKEN, SIE ANPACKEN UND EBEN #EINFACHMACHEN. IN DIESEM SINNE WÜNSCHE ICH IHNEN VIEL FREUDE BEIM LESEN UNSERER DRUCKFRISCHEN HANDWERKSZEITUNG. Ihr Delfino Roman Präsident der Handwerkskammer Hildesheim-Südniedersachsen „Ich bin eine echte Globetrotterin. Eigentlich wollte ich auf ein Kreuzfahrtschiff gehen, um den Passagieren an Bord die Haare zu schnei- den. Dann wurde ich schwanger.“ Mit Fynn, ihrem heute siebenjährigen Sohn, wurde sie während der Lehre schwanger. „Auch als Fynn auf die Welt kam, habe ich vom Salon die größtmögliche Unter- stützung erhalten. Sie haben damals Gleitzeiten für mich eingerichtet und an Samstagen durfte ich zu Hause blei- ben“, erinnert sich Wehage. Um an den Wochenenden Zeit mit der kleinen Familie verbringen zu können, machte sie ihrer Chefin den Vorschlag, den Salon auch am Mon- tag zu öffnen. Gesagt getan, Therese Wehage war von nun an die Friseurin, die den Kunden auch montags einen schicken Haarschnitt verpasste. Das Glück hielt allerdings nicht lang an. Sie trennte sich von Fynns Vater und war auf finanzielle Unterstützung vom Staat angewiesen. „Zum Amt zu gehen und fremdes Geld in Anspruch zu nehmen, war für mich ein uner- träglicher Zustand.“ Eigenständig sein, ganz ohne finanzielle Abhängigkeit von ihren Eltern oder gar von Männern, auf den eigenen Beinen stehen – das war sie sich selbst und ihrem kleinen Sohn schuldig. „Ich möchte ein gutes Vorbild für Fynn sein und da habe ich faule Ausreden nicht gelten lassen“, so die Friseurmeisterin. Für sie kam nur eine Fortbildung in Frage, die am Ende schlichtweg ein besseres Auskommen ermöglicht. Um sich, so wie sie es sagt, auch mal etwas leisten zu können. „Ich habe viel Zuspruch erhalten: Von meinem ehemaligen Mathelehrer etwa, dem ich heute noch die Haare schneide und bei dem ich damals im Unter- richt eine ziemliche Niete war. Auch meine Eltern und mein Freund haben an mich geglaubt. ‚Wer es hinbekommt, allein ein Kind aufzuziehen, für den ist eine Meisterausbil- dung auch zu schaffen’, haben sie gesagt.” „Mama, du hast es für uns gemacht. Damit wir eine bessere Zukunft haben.“ Die Meisterausbildung sei eine prägende Erfahrung für Wehage gewesen, die trotz früherer Schwäche im Fach Mathematik alle Prüfungsteile mit dem Durchschnitt 2,0 bestand. Es sei nicht immer leicht gewesen, Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen. Die Familie habe hin und wieder bei der Betreuung des Kindes einspringen müssen. „Die Meisterfortbildung hat mich wachsen las- sen, hat mich selbstbewusster gemacht.” Wie bereiten Sie sich vor? Insgesamt habe ich elf Trainingseinheiten, ergänzend kommen noch Extra-Trainings mit dem Bundestrainer Kai-Uwe Holtzschmidt in ganz Deutschland hinzu. Die finale Vorbereitung auf den Wettkampf fand für das Bundes-Team eine komplette Woche im Berufs- bildungszentrum Göttingen statt. Ein sehr wichtiger Unterstützer ist darüber hinaus HWK-Lehrwerkmeister Marcus Hüls, der mich schon als Auszubildender in der ÜLU unterrichtet hat. Wissen Sie schon, wo Sie hinterher arbeiten wollen? Als WM-Teilnehmer dürften Ihnen alle Türen offen stehen … Nach meinem Meister im Maurer- und Betonbauerhand- werk, möchte ich vorerst bei Dammeyer bleiben und Berufserfahrung sammeln. Ich habe die Zusage vom Chef, dass ich als Polier künftig selbstständig Baustellen leiten kann. Auf diese verantwortungsvolle Tätigkeit freue ich mich sehr. Der Wettbewerb in Abu Dhabi wird vom Zentral -verband des Deutschen Baugewerbes ausgetragen. Wulfes gehört zum Nationalteam Deutsches Baugewerbe für den Beruf Maurer- und Betonbauer.